Montag, 20. März 2017

Reichskanzler nach Bismarck (1890-1917)

Reichskanzler nach Bismarck
(Johannes Dominikus Müller, Konrad Burckhardt)

Die letzten Jahre der Kanzlerschaft Bismarcks waren durch die Transformation des Reiches zur modernen Industriegesellschaft geprägt. Der Gestaltungsanspruch des Staates wuchs  und führte zu steigenden Aufgaben des Staates. Die Fähigkeiten der Problembewältigung (Institutionen, Gesetze) konnten der Entwicklung jedoch nicht so schnell folgen. Gesellschaftliche Konflikte waren die Folge.


Der Bismarck ins Amt folgende Reichskanzler Leo von Caprivi  (parteilos) versuchte diesem Ungleichgewicht mit einem Neuen Kurs zu begegnen. Der Staat sollte sich aus gesellschaftlichen Konfliktfeldern heraushalten und Neutralität wahren. Moderate Reformen (Arbeitsschutz) und das Nichtverlängern des Sozialistengesetzes sollten diesen Weg untermauern. Mit Neuansätzen im Außenhandel wollte Caprivi den Anforderungen einer modernen Industriegesellschaft begegnen. Anfangs genoss er dafür die Unterstützung des Kaisers.

Caprivi geriet schnell in Konflikt mit einem größeren Teil der Konservativen. Die Lockerung der Zollpolitik im Außenhandel führte zu Konflikten mit den Interessen der Landwirtschaft und damit vor allem mit dem deutschen Adel. Auch im Reichstag kam eine engere Einbindung von Liberalen und Sozialdemokraten als Gegengewicht zu den konservativen Parteien nicht in Frage. Am Ende stand die Entlassung Caprivis durch den Kaiser.

Auch Chlodwig Hohenlohe zu Schillingsfürst (parteilos) konnte als neuer Reichskanzler die Transformation des Deutschen Reiches von einem Agrarstaat in zu einem modernen Industriestaat wenig gestalten. Er vermied jegliche Konflikte und konnte somit die vielen unterschiedlichen Interessen nicht einen.

Eine Neuorientierung der deutschen Politik gelang erst unter Bernhard von Bülow (parteilos). Durch enge Kontakte zu Kaiser und Parlament hatte er die Möglichkeit, im Zentrum der Regierung die Fäden straff in der Hand zu halten.  Kompromisse in der Zollpolitik, sowie eine Neuorientierung der Flottenpolitik ließen neue Zielrichtungen zu. Gerade die Umgestaltung und Aufrüstung der deutschen Kriegsmarine als Ausdruck des deutschen Strebens nach Weltmacht geriet für viele deutsche Interessengruppen zum Symbol- und Prestigeprojekt (Industrie, Adel, Bürgertum). Dennoch gelang es von Bülow nicht, drängende soziale Reformen voranzutreiben und die Gräben zwischen Protestanten und Katholiken (èKulturkampf) zu schließen. Auch die außenpolitischen Misserfolge zerrütteten das Verhältnis zwischen dem Persönlichen Regiment des Kaiser und seinem Kanzler.

Der folgende Reichskanzler Theodor von Bethmann Hollweg hatte mit starken Machtgewinnen der Parteien im Reichstag zu kämpfen. Immer stärker beeinflussten die Konflikte der Parteien untereinander die Reichspolitik. Ein Wechsel von halbherzigen Reformen und Blockaden prägte die Politik vor dem ersten Weltkrieg. Die fehlende Verwirklichung sozialen Reformen verschärfte die Konflikte innerhalb der Gesellschaft. Die stetig verstärkte Rüstungspolitik provozierte außenpolitische Konflikte und verführte schließlich dazu, auch einen Krieg als Ausweg aus der inneren Krise zu sehen.

Literatur:
Ullmann, Hans-Peter: Politik im Deutschen Kaiserreich 1871-1918. München, 1999.
Kocka, Jürgen: Das lange 19. Jahrhundert. Arbeit, Nation und bürgerliche Gesellschaft. Stuttgart, 2001. 
Berghahn, Volker: Das Kaiserreich 1871-1914. Industriegesellschaft, bürgerliche Kultur und autoritärer Staat. Stuttgart, 2003.

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